Gedächtnisleistung….

….und wenn sie schwach ist, ist es nicht immer genetisch determiniert, sondern oft hausgemacht.

Meine These zum Phänomen Lernen lautet: Nicht das Lernen ist der aktive Prozess unseres Gehirns, sondern das Vergessen (wenn man überhaupt von einem passiven neuronalen Prozess sprechen kann). Das bedeutet: man muss es sich andersherum vorstellen als traditionell angenommen wird. Nämlich das Lernen (im Sinne von abspeichern) geschieht ganz von selbst. Und nun kommt eine Art Schutzmächanismus unseres Gehirns hinzu, der uns die inrelevanten Informationen wieder ausblendet. Ohne den könnten wir kaum leben.

Mit Hilfe dieser Sichtweise lassen sich Phänomene autistischer Sonderbegabungen erklären, wo Menschen einerseits über unglaubliche Gedächtnisleistungen verfügen, andererseits aber Probleme mit dem alltäglichen Leben haben. Ihr Gehirn filtert überschüssige Inputs nicht aus. Man könnte es vielleicht auch vereinfacht ausdrücken: es ist ein Filter kaputt.

Unser Gehirn verfügt über solche Filter. Wir wissen, dass beispielsweise Menschen, die in ihrer Kindheit hochtraumatische Erlebnisse hatten, sich oft überhaupt nicht mehr an sie erinnern. Fast jeder kennt es aus eigener Erfahrung, dass unser Gehirn einfach keinen weiteren Input zulässt, wenn wir es unter extremem Lerndruck überstrapazieren.

Die Speicherkapazitäten unsere Gehirns sind gigantisch. Es verhält sich wie amazon oder google, es speichert einfach alles und wertet es bei bedarf aus. Gelöscht wird nichts, aber ausgeblendet, weil es beim Umgang mit dem „Wesentlichen“ stören würde. Was unser Gehirn allerdings für relevant hält und was nicht, stimmt nicht immer mit unseren Vorstellungen und Wünschen überein.

Und hier entsteht eine interessante, andere Fragestellung: nicht etwa die, warum wir uns etwas nicht behalten, sondern warum unser Gehirn etwas ausblendet und wie wir diesen „Mechanismus“ beeinflussen oder „überlisten“ können.

Auf der Seite „Vom-Blatt-Spiel und seine Auswirkung auf das Gedächtnis“ beschreibe ich interessante Beobachtungen zu dem Phänomen der Notentextamnesie bei sogenannten „Nur-vom-Blatt-Spielern“

Oder eine interessante Anregung mag ein Satz sein, wie etwas: „Ich habe kein Namensgedächtnis!“ Mit dieser Erkenntnis ist eine Voreinstellung des „Filters“ vorgenommen: Namen kann ich mir nicht behalten, also blende ich sie aus und suche nach Mechanismen, durch die ich diese vermeintliche Schwäche umgehen kann. Damit ist meine Namensdemenz geboren. Im Laufe der Zeit gesteht man mir diese Macke zu und wenn ich durch andere Fähigkeiten glänze, gehört sie bald zu meinem möglicherweise sogar dadurch sympathischen Persönlichkeitsprofil. Wozu soll ich mir nun also noch Namen merken. Ich schwebe über den Dingen! Und damit ist meine Namensdemenz bereits schon ausgewachsen.

Tatsächlich gibt es viele Möglichkeiten um solchen Entwicklungen entgegenzutreten, die ich vielleicht später noch auf einer Seite ausführen werde.

Hier nur noch ein für jeden erkennbares Beispiel der enormen Speicherleistung unseres Gehirns sei hier kurz angeführt: Jeder kennt es, dass man bei anfassen eines Gegenstandes überrascht ist, weil man ihn für Stein gehalten hat, er aber aus Styropor ist, oder umgekehrt, oder eine gefüllte Vase, die man für leer gehalten hat. Hier wird deutlich, dass wir eine präzise (aus der Erinnerung gespeiste) Erwartungshaltung gegenüber der Oberflächenbeschaffenheit, der Gewichts usw. dieses Gegenstandes haben. Viel interessanter sind nun aber die Gegenstände, die wir tagtäglich so selbstverständlich anfassen und die uns nicht überraschen. Alle in unserem bisherigen Leben einmal (und sei es noch so flüchtig) angefassten Gegenstände werden uns nicht mehr überraschen. Dies ist eine Speicherleistung, der gegenüber die verhältnismäßig wenigen Positionen, die es auf der Tastatur zu differenzieren gilt, als ein Klacks erscheinen.

10 Februar 2019